Die Ja-aber-Haltung

Warum wir tausend Gründe (er-)finden, etwas nicht zu tun

Was bedeutet es, wenn wir etwas nicht angehen? Wenn wir uns vor einer Entscheidung drücken, obwohl einiges dafürspricht? Wenn wir auflisten, was alles passieren könnte, falls wir uns doch entscheiden? In solchen Fällen kommt meist ein „Ja, aber“ mit vielerlei Gründen und Begründungen daher – und es hat eine besondere Qualität. Die Haltung kann ein Indikator für eine tiefer sitzende Angst sein: der Angst vor zu schneller oder zu massiver Veränderung und, damit einhergehend, die Angst vor dem Scheitern. Diese Haltung ist sehr verbreitet und hat das Handeln vieler Menschen fest im Griff.

Dabei führen zwei widerstreitende Seiten in uns einen Scheinaustausch: Das „Ja“ eröffnet den Austausch nach dem Motto: Ich habe verstanden, was die Veränderung Positives bewirken könnte (und tu mal so, als ob ich ernsthaft darüber nachdenke). Mit dem „Ja“ geben wir also eine Scheinzusage. Mit dem „Aber“ stoppen wir diesen Prozess im nächsten Atemzug gleich wieder und halten stattdessen einschränkende Argumente bereit. 

Warum ist das so?

  • Oft neigen wir dazu, lieber auf einer Position zu verharren, selbst wenn sie wenig gut für uns ist. 
  • Die Vertrautheit des Bisherigen liefert eine Pseudo-Sicherheit, an der wir uns vorerst festhalten. Besser alles bleibt beim Alten und wir bleiben in unserer Komfortzone, in der wir uns gut auskennen. 
  • Um eine – ganz normale – Unsicherheit in Entscheidungssituationen nicht spüren zu müssen, liefern wir Scheinargumente.
  • Solche Einwände drücken eine vorweggenommene Katastrophenerwartung aus: Mit dem nächsten Schritt könnte nämlich alles etwas unkalkulierbarer werden. Denn das Vorhaben könnte ja auch scheitern. 
  • Eine persönliche Entwicklung kommt also nicht in Gang, weil wir fürchten, dass Unerwünschtes oder Unbequemes eintreten könnte.

Sowohl Situation „Ja“ (Alles wird gut!) als auch Situation „Aber“ (Ich scheitere!) könnte grundsätzlich möglich sein. Aus Angst weigern wir uns, etwas zu riskieren. Wir bewaffnen uns mit den Scheinargumenten, weil wir eigentlich nur noch etwas Zeit gewinnen möchten. Möglicherweise befürchten wir sogar den Erfolg einer Entwicklung. Denn auch dieser könnte das Leben, so wie es war, nachhaltig verändern. Die Frage ist, welche Annahmen in diesem Fall verhindern, dass wir tatsächlich erfolgreich wären. 

Vom „Ja, aber“ zum „Na und?“

Zunächst müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, das Leben sei plan- und kontrollierbar. Ist es nicht! Eigentlich ist das logisch – und das weiß auch jeder. Dennoch wollen wir alles gründlich durchdenken, strukturieren und organisieren, um das Leben so sicher wie möglich zu machen und mit aller Macht die „richtige“ Entscheidung zu treffen. Aber die gibt es im Voraus nicht! Ja-aber-Menschen, auch Bedenkenträger genannt, sehen mehr die Risiken und weniger die Chancen. Man könnte auch sagen: Ich probiere das aus, auch wenn's schief geht. So mache ich wenigstens eine wertvolle Erfahrung und weiß, wie es ist. Entscheidend ist also, welcher Seite – der Ja-Seite oder der Aber-Seite – wir mehr Bedeutung geben.

Hat man den Bremseffekt eines „Ja, aber“ erst einmal erkannt und entlarvt, kann es hilfreich sein, wenn man in seiner Ungewissheit Rückversicherung erhält. Eine Rückmeldung, die den Rahmen dafür schaffen könnte, dass man sich mit seiner Veränderung konkret beschäftigt und einen vorsichtigen Schritt auf unbekanntes Terrain wagt. 

Was könnte denn schlimmstenfalls geschehen, wenn man sich über seine Bedenken hinwegsetzt? Die Umkehrung von „Ja, aber“ wäre in diesem Fall: „Na und? Dann falle ich auf die Nase – habe jedoch eine klärende Erfahrung mehr und kann mit den gewonnenen Erkenntnissen neu entscheiden.“