Studium, Job, Karriere, Selbstständigkeit, Partnerschaft, Freundschaft – nicht alles läuft auf ein gutes Ende hinaus. Manchmal ist es einfach klug, ja, sogar notwendig, einen Strich zu ziehen. Doch wann ist der richtige Moment gekommen? Und wie gelingt es, sich selbst dafür nicht zu verurteilen? Denn oft fühlt sich ein Ausstieg wie ein Scheitern an – dabei kann genau darin neue Kraft liegen.
Wir verlassen einen Weg, den wir einmal mit voller Überzeugung eingeschlagen haben. Die Entscheidung fällt oft schwer, denn sie fühlt sich zunächst einmal wie ein Versagen an. Woher kommt dieses Empfinden? In unserer Kultur wird Durchhalten über alles gestellt: Was du einmal begonnen hast … Wer aufgibt, gilt schnell als schwach, wer aussteigt, als unbeständig. Besonders im beruflichen Kontext ist ein Rückzug erklärungsbedürftig. Viele erleben, dass sie sich rechtfertigen müssen: dafür, dass sie lieber downshiften, die Führungsrolle nicht annehmen und ins Ausland wechseln oder sogar früher in Rente gehen. Dabei zeugt ein klares Nein oft von mehr Reife als das blinde Weitermachen.
Ein bewusster Ausstieg kann der Moment sein, in dem man nicht mehr gegen sich, sondern für sich arbeitet. Ein Zeichen dafür, dass man erkannt hat: Ich passe nicht mehr in dieses System, in diese Rolle, in dieses Leben – und das ist in Ordnung.
In der Praxis begegnen mir immer wieder Menschen, die vermeintlich gut geplante Wege verlassen – und trotzdem (oder gerade deshalb) ein erfüllteres Leben beginnen. Da ist der Wissenschaftler, der sich gegen die Forschung entscheidet und in die Wirtschaft wechselt, weil er dort wirksamer sein kann. Die Ehefrau, die nach fünfzehn Jahren Kindererziehung und Haushaltsmanagement genug hat und sich für eine Rückkehr in ihren Beruf entscheidet. Oder die Führungskraft, die das Hamsterrad verlässt, weil sie den Druck nicht mehr tragen will – und feststellt, dass ihr Leben jenseits der Karriereleiter mehr Tiefe gewinnt.
Manchmal braucht es diesen Schritt ins Unbekannte, um sich selbst wieder wahrzunehmen. Und manchmal erkennt man erst im Rückblick, wie sehr man sich vorher selbst verleugnet und aus den Augen verloren hatte.
Ich kann nicht mehr. Dieser Satz ist also kein Scheitern, er ist ein Durchbruch. In ihm steckt die Klarheit, dass etwas zu Ende ist. Und auch die Zuversicht, dass es weitergehen wird, nur anders. Wer so denkt, ist nicht gescheitert. Er oder sie hat sich eine Bedeutung gegeben – und das ist eine enorme Stärke. Aufgeben bedeutet nicht, sich aufzugeben. Es heißt vielmehr: Die Perspektive auf das eigene Leben hat sich geändert, mit Konsequenzen. Es ist daher nur folgerichtig, sich neu aufzustellen und sich selbst die Erlaubnis für einen Neuanfang zu geben – egal, was das Umfeld sagt.
Ein Ausstieg ist keine Niederlage – vielmehr kann er Türen öffnen für neue Perspektiven und mehr Lebensqualität. Viele Betroffene berichten rückblickend von größerer Zufriedenheit, mehr Selbstbestimmung und einem Leben, das im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen steht. Es ist der Wendepunkt, an dem man wieder beginnt, sich selbst gerecht zu werden.