Neu als Führungskraft

Komplexität meistern können

Coaching-Anliegen

Frau B. war sechs Monate zuvor zur Teamleiterin mit acht Mitarbeitern im Vertrieb eines IT-Unternehmens ernannt worden. Da sie noch keine Führungserfahrung sammeln konnte, hat ihr die Geschäftsführung ein Führungskräfte-Coaching zur Unterstützung bewilligt. Im Coaching schildert sie nun, wie sehr sie die neue Aufgabe in Anspruch nimmt und belastet – so sehr, dass ihr nicht mal mehr ein Wochenende ausreicht, um abzuschalten und sich zu erholen. Frau B. ist alleinerziehend und hat eine 13-jährige Tochter, für die sie auch da sein muss. Sie fühlt sich zunehmend überfordert und stellt in Frage, ob sie überhaupt noch Führungskraft sein will. Sie möchte lernen, wie sie die neuen Herausforderungen besser beherrschen und ihre Work-Life Balance dennoch halten kann.

Auftragsklärung

In der ersten Sitzung ihres Coachings schildert Frau B. in einer sehr angespannten Art und Weise, dass ihr alles über den Kopf wächst. Sie befürchtet, die Kontrolle zu verlieren. Die neue Aufgabe ist sehr komplex und fühlt sich beschwerlich für sie an. Damit hatte sie nicht gerechnet, denn sie muss ja weiterhin auch die bestehenden Aufgaben erfüllen und alle Deadlines in Kundenprojekten halten. 

Frau B. ist sehr unzufrieden mit ihrer Situation und möchte wissen, welche persönlichen Skills in der neuen Rolle wichtig sind. Vor allem jedoch möchte sie als Führungskraft keine Fehler und im Unternehmen einen guten Eindruck machen. Ich spiegele ihr zurück, dass der unbedingte Wille, alles im Auge zu behalten, auf mich sehr akribisch wirkt. Deshalb frage ich sie, ob sie glaubt, dass die gestiegene Komplexität hundertprozentig kontrollierbar sei.

Wir diskutieren zunächst mögliche Führungsthemen, die für Frau B. in der neuen Rolle von Bedeutung sein können, um herauszufinden, ob sie vielleicht Defizite für sich erkennt. Solche Schwerpunktthemen für ein Führungskräfte-Coaching können zum Beispiel sein:

  • Fähigkeit zum Delegieren
  • Konfliktfähigkeit
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Motivationsfähigkeit
  • Empathiefähigkeit
  • Resilienzfähigkeit

Insbesondere bei den Themen „Delegieren“ und „Resilienz“ wirkt Frau B. betroffen. Sie schildert, dass Delegieren ihr einfach schwerfällt, weil sie wenig Vertrauen in die Arbeitsqualität ihrer Mitarbeiter hat. Gleichzeitig weiß sie jedoch auch, wie demotivierend solch ein Führungsverhalten sein kann. Sie ist immer wieder hin- und hergerissen, wie viel Eigenverantwortung sie übertragen soll und was sie doch besser gleich selbst erledigt. Denn die Fehler, die mit dem Risiko des Delegierens verbunden sind, möchte sie vermeiden, weil sie keinesfalls als inkompetent dastehen will.

Dieses kontrollierende Führungsverhalten führt dazu, dass die Arbeitslast auf Dauer zu einer Überlastung statt zu einer Entlastung führt, indem sie beispielsweise anfängt loszulassen und als Teamleiterin lernt, ihre Mitarbeiter in die Selbstverantwortung zu bringen. Wir beschließen, daran zu arbeiten, wie Frau B. mehr Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter entwickeln kann und eigene Unsicherheiten tolerieren lernt – wie es ihr also gelingen kann, die gewachsene Komplexität besser meistern zu können.

Coaching-Verlauf

Frau B. hat den dringenden Wunsch, ihre Unzufriedenheit zu überwinden. Anfangs macht sie dafür noch äußere Umstände und das Verhalten anderer verantwortlich. Sie glaubt, dass es ihr besser geht, wenn sich im Außen etwas verändert. In dieser Phase hat sie lediglich eine Vermutung, dass sie für ihr Befinden vielleicht auch selbst verantwortlich sein kann.

Im weiteren Verlauf des Coachings wird ihr überzogener Anspruch an sich selbst immer klarer: Sie ist überzeugt, sich in Perfektion anstrengen zu müssen, um alle ihre Aufgaben exzellent zu verrichten. Gleichzeitig verspürt sie den Wunsch, eine bessere Work-Life-Balance zu haben. Sie pendelt also ständig zwischen ihrem Bedürfnis nach Ausgeglichenheit und der Befürchtung, als Führungskraft zu versagen, wenn sie Verantwortung abgibt und dann den Überblick verlieren könnte. Es gilt, diesen inneren Konflikt zu bearbeiten und einen besseren Umgang mit Unsicherheiten und Risiken zu entwickeln.

Frau B. erkennt, wie sie sich mit ihrem Anspruch, „perfekt zu sein“ und „sich stets anstrengen zu müssen“ selbst im Weg steht. Sie sieht auch, welches persönliche Thema hinter ihrer Risikovermeidung steckt: Sie ist geprägt vom hoch gesteckten Leistungsdenken ihrer Eltern. Es löst bei ihr bis heute Versagensängste aus, die sich letztlich auf ihr Führungsverhalten auswirken.

Um aus dieser Angstfalle herauszukommen, kann es effektiv sein, die eigenen Befürchtungen einem Realitätscheck zu unterziehen: Wie wahrscheinlich ist es, dass ich meine Führungsrolle tatsächlich nicht gut bewältige und an Ansehen in der Firma verlieren könnte? Aus kritischer Distanz erweisen sich diese negativen Denkspiralen oft als Panikmache. Wichtig ist nun auch, den Blick weg von abwertenden Gedanken mehr hin zu den Begabungen von Frau B. zu lenken – den Fokus mehr auf das zu legen, was ihren Selbstwert stärkt. Nicht ohne Grund hat man sie ja schließlich zur Führungskraft ernannt.

Ergebnis

In ihrem Veränderungsprozess gelingt es Frau B. immer besser, ihr kontrollierendes Verhalten zu überwinden und Vertrauen zu entwickeln – sowohl in die eigenen Fähigkeiten und in die ihrer Mitarbeiter. Frau B. hat in kleinen Schritten gelernt, Aufgaben zu delegieren und fehlertoleranter zu sein. Heute kann sie auch mit einer 80-prozentigen Erfüllung gut leben. Das Ohnmachtsgefühl, die Komplexität der neuen Rolle nicht bewältigen zu können, hat nachgelassen. Ihr neues Mantra lautet „Gut ist gut genug!“


Frau B. wurden zunächst fünfzehn Stunden im Einzel-Coaching bewilligt, die wir auf zehn Sitzungen à 1,5 Stunden im zweiwöchigen Rhythmus verteilt haben. Nach einem positiven Abschlussgespräch mit der Geschäftsführung wurde ihr Führungskräfte-Coaching noch einmal um weitere zehn Stunden verlängert, um bestimmte Themen zu vertiefen.

Für einen ersten Einblick in meine Arbeitsweise und mein Selbstverständnis als Coach und Beraterin stelle ich Ihnen reale Fälle aus meiner Arbeit vor. Sie sind anonymisiert und mit meinen Klienten abgestimmt.