Auf der Überholspur durchs Leben

Der Glaubenssatz „Wer rastet, der rostet!“

Warum rasen viele Menschen geradezu durch ihr Leben, als wäre es eine Autobahn? Was treibt sie an? Warum sind sie am Zielort jedes Mal erneut unzufrieden und haben latent das Gefühl, immer noch nicht angekommen zu sein? Schauen wir uns den Glaubenssatz aller Übereiligen doch einmal genauer an.

„Wer rastet, der rostet!“ Als typischer Glaubenssatz hat diese Redewendung zwei Seiten: Einerseits wird sie gern von Menschen zitiert, die anderen vor Augen führen wollen, dass man körperlich und geistig stetig in Bewegung bleiben sollte. Ihre eigene Agilität, ihre Fitness, ihr vielseitiges Interesse, Engagement und Schaffen rücken sie deshalb als erstrebenswerte Haltung ins Licht. Schnellsein und Umtriebigkeit erheben sie zum Ideal. Wer nicht mithalten kann, versagt. Wer eine Pause braucht, bleibt zurück. Also hechle gefälligst ordentlich durch dein Leben, tu viel und du wirst nicht scheitern.

Andererseits liefert dieser Glaubenssatz denjenigen, die nicht zur Ruhe kommen können oder wollen, auch eine Rechtfertigung: Wer viel leistet, bewältigt und erreicht, ist „okay“ und sozial anerkannt. Ob dieses viele Tun tatsächlich erfüllend oder vielmehr nur eine Vermeidung des Ausruhens und des Besinnens ist, steht dabei auf einem anderen Blatt.

Viel und schnell ist nicht unbedingt gut

Aus ihrem Aktivismus und aus der Bewunderung dafür schöpfen sie ihren Wert. Alles geschieht schnell, ohne dass sie sich Zeit zum Genießen und Reflektieren nehmen. Entsprechend „rasen“ sie von einem Projekt, einem Engagement, einem Erfolg zum nächsten und „sprühen“ nur so vor Zukunftsideen. Warum? Um endlich am Ziel anzukommen – nur nicht bei sich selbst!

In der Transaktionsanalyse bezeichnet man dies als „Beeil dich“-Antreiber. Beeil-dich-Menschen haben meist unterschwellig Angst, mit sich selbst in Berührung zu kommen, wenn sie einmal langsamer machen würden. Sie rennen sprichwörtlich vor sich selbst davon. Sie erledigen alles sehr hektisch und vieles zugleich. Quantität statt Qualität steht im Vordergrund, und immer der Umstand, dass alle Vorhaben schnell umgesetzt werden. Nicht nur als ausgewiesene Hektiker sind sie für andere eine Belastung. Sie versuchen oft auch, zur Eile anzutreiben und produzieren Termindruck, der gar nicht existiert.

„Nutze den Tag“ im Übertreibungsmodus

Menschen, bei denen dieser Antreiber sehr stark ausgeprägt ist, „ruhen“ nicht in sich selbst und sind nicht im Hier und Jetzt angekommen. Identifizierbar sind sie daran, weil sie andere permanent und sehr ungeduldig unterbrechen. Sie sprechen oft aufgeregt, hastig und gepresst, mit druckvoller Stimme. Sie liefern Halbsätze und Redeschwalle, ohne ihr Gegenüber im Dialog zu halten. Sie trommeln mit den Fingern, scharren mit den Füßen und behalten den Screen ihres Smartphones oder ihre Uhr permanent in Blick. Damit vermitteln sie, dass man Zeit vertrödelt und nicht „optimal“ nutzt. 

Ihr Verhalten führt auch dazu, dass Arbeitsergebnisse in der Qualität leiden können. Sie organisieren regelrecht Zustände, wo alle sich kräftig beeilen, um dann in Hektik auszubrechen. Sie laufen zu schnell und ohne ersichtlichen Grund, während andere sich ihrem Tempo anpassen müssen.

Rasten statt rasen

Wenn Beeil-dich-Menschen ihrem Glaubenssatz ein Leben lang folgen, haben sie früher oder später doch das Bedürfnis, zur Ruhe zu kommen, bewusst innezuhalten und sich mit den eigenen Gefühlen, Denk- und Verhaltensmustern vertraut zu machen: Wie geht es mir gerade und was mache ich da eigentlich mit mir? Fragen wie diese entlarven die Tyrannei hausgemachter Glaubenssätze und weisen den Weg in ein gelasseneres Leben. Wer sich auf diese Entdeckungsreise begibt, hat die Chance, wirklich und schlussendlich auch bei sich selbst anzukommen.


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