Woran Beziehungen scheitern können

Emotionale Manipulation als Psychospiel

Nicht nur die große Liebe kann Schaden nehmen, auch die Beziehung zu Eltern, Großeltern und Kindern oder die Verbundenheit mit Freunden. Woran kann es liegen, dass etwas zerbricht, das doch zusammengehörig sein sollte? Emotionale Manipulation kann einer der Gründe sein, an denen Beziehungen scheitern.

Menschen sind miteinander in einem Beziehungssystem verbunden. Das kann die Herkunftsfamilie sein, die Partnerschaft, eine Arbeitsbeziehung oder eine Freundschaft. Scheitern kann es, wenn die Beziehung aufgrund emotionaler Manipulation, auch psychologisches Spiel genannt, aus der Balance gerät. Emotionale Manipulation bedeutet, dem Gegenüber bewusst oder unbewusst mit subtilen Vorwürfen, Hinhaltetaktiken oder Liebesentzug Schuldgefühle zu machen – ihn oder sie quasi zu bestrafen und so mit starken negativen Gefühlen zu belasten. Alltagssprachliche Sätze wie diese sind typisch dafür:

„Wenn du mich wirklich lieben würdest, würdest du so etwas nicht tun.“
„Ich tue so viel für dich – und was machst du?“

Emotionale Abhängigkeit auf beiden Seiten

Menschen, die manipuliert werden, fühlen sich unter Druck („unterdrückt“): Sie verspüren oft ein schlechtes Gewissen und sind infolgedessen in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Sie bemühen sich um Harmonie, um die Beziehung wieder zu stabilisieren – indem sie einlenken, nachgeben, ein Bedürfnis des anderen schnell erfüllen oder einfach „richtig funktionieren“ wollen. Sie tun dies aus Angst vor Ablehnung und in dem Glauben, sonst Liebe oder Zuwendung zu verlieren. Es fällt ihnen schwerer, Nein zu sagen, aber leichter, den eigenen Wünschen und Bedürfnissen keine Bedeutung zu geben.

Auch Menschen, die manipulieren, stehen unter einem emotionalen Druck – vielmehr Leidensdruck: Indem sie die Verantwortung für ihre Bedürfniserfüllung auf andere abwälzen, sind sie meist frustriert und enttäuscht, weil sie die schmerzliche Erfahrung machen müssen, von ihrem Umfeld nicht das zu bekommen, was sie sich wünschen. Im Zentrum steht ihr eigenes Wohlergehen und zwar ohne auf die Gefühle des Anderen Rücksicht zu nehmen. 

Warum aber setzen Menschen überhaupt das Mittel der Manipulation ein? Sie handeln so, weil ihnen ein anderer Weg offensichtlich nicht zur Verfügung steht: die erwachsene Kommunikation. Sie sind nicht in der Lage, ihre wirklichen Bedürfnisse deutlich zu formulieren. Deshalb greifen sie auf andere Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung zurück – und machen sich auf diese Weise selbst zum Opfer. In der Regel liegen den Manipulationen unbewusste, in der Kindheit erlernte Verhaltensmuster zugrunde. Denn viele Menschen erfahren schon von klein auf, dass es einen Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und den Gefühlen von anderen gibt:

„Wenn du das tust, dann machst du die Mama aber traurig.“
„Weil du das immer noch nicht getan hast, muss der Papa aber böse werden.“
„Oma wird aber enttäuscht sein, wenn du sie nicht besuchst.“

Tatsächlich besteht eine emotionale Abhängigkeit in beide Richtungen, fachlich als „Beziehungsverklammerung“ bezeichnet: „Ich möchte, dass du …!“ oder „Solange du …, werde ich …!“ sind dann entsprechende Ausdrucksweisen im Erwachsenenalter. Wenn Menschen ihr Wohlbefinden vom Verhalten anderer abhängig machen, ist kaum Selbstverantwortung im Spiel. Statt sich mit eigenen unangenehmen Gefühlen zu beschäftigen, versuchen sie häufig, oft geradezu obsessiv, den anderen zu manipulieren, so dass er sein Verhalten ändert. Das zeigt sich darin, dass sie Strategien entwickeln, damit ihr Gegenüber das tut, was sie möchten.

Man möchte den anderen ändern – bei gleichzeitiger Verweigerung der Eigenveränderung! Wer sich derart unfrei macht, sorgt wiederum für noch mehr Unwohlsein bei sich selbst und ist in der Spirale seiner Manipulationen gefangen. Um eine Art von Befriedigung zu erreichen, gerät er zunehmend in eine Manipulationsnotwendigkeit gegenüber dem anderen Menschen. Diese Verklammerung bringt große Nachteile mit sich:

  1. Man gibt einen Teil seiner Selbstbestimmung auf. Selbstbestimmt ist jedoch jemand, der seine Abhängigkeiten – im wahrsten Sinne des Wortes – selbst bestimmt.
  2. Man erzeugt Widerstand und Rückzug bei der anderen Person, weil diese fühlt, dass sie etwas „tun soll“.
  3. Man setzt auf Mittel zur Befriedigung statt auf Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse.
  4. Man verliert das Vertrauen, dass andere gern oder freiwillig für einen da sind und auf die eigenen Wünsche eingehen.

Ein Mensch, der sich eigenverantwortlich mit seinen Bedürfnissen beschäftigt, lebt viel freier als ein Mensch, der ein Leben lang in seinem Vermeidungssystem verharrt. Der seinen Bedürfnisvermeidungsimpulsen nachgeht – und so von den Reaktionen seines Umfelds abhängig ist.

Auswege aus dem Psychospiel unter Erwachsenen

  • Der erste Schritt ist für beide Seiten die Erkenntnis und Bewusstmachung des Dramas. Es gilt zu lernen, wie sie ihre Opferhaltung aufgeben und Verantwortung für die eigenen Wünsche und Bedürfnisse übernehmen. Es empfiehlt sich, mit professioneller Unterstützung zu erforschen, welche inneren Konflikte verhindern, dass sie ihre Gefühle und seelischen Bedürfnisse nicht klar äußern können.
  • Für den Manipulierer bedeutet das, Selbstverantwortung zu übernehmen: Wenn er gesehen, gehört oder geliebt werden möchte, muss er sich mit seinem Wunsch zeigen. Er kann nicht erwarten, dass der andere von sich aus „etwas tut“. Er muss aufhören, andere Menschen für seine Empfindungen verantwortlich zu machen.
  • Für den Manipulierten bedeutet dies wiederum, sich gegen solche Psychospiele zu wehren und aus der toxischen Verklammerung auszusteigen. Er muss lernen, sensibler für die eigene Gefühlswelt zu werden, zu erkennen, welche Rolle er in der Beziehung einnimmt und in einer wertschätzenden Haltung Grenzen zu ziehen.

Die Suche nach der idealen Umwelt beschäftigt manche Menschen ihr ganzes Leben hindurch und ist ein Garant für Unglück und schlechte Gefühle, weil die Welt eben nicht das „liefert“, was man sich von ihr erwartet. Das ist verständlich, weil Menschen meist versuchen, Angenehmes zu erstreben und seelischen Schmerz zu vermeiden. Die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr viel höher, von anderen geliebt zu werden, wenn man sich selbst liebt. Wem das gelingt, der wird unabhängiger und seiner selbst bewusster und kann erfüllende Beziehungen auf Augenhöhe führen.